Öffentliche Räume sind keinen bestimmten Handlungen vorbehalten, sondern sie sind nutzungsoffene, flexible, nicht starr eingerichtete
Räume, die, wie schon der antike Architekturtheoretiker Vitruv bemerkte, jedem zugänglich sind, egal "wer es auch sei".
In einer selbstbewussten
Zivilgesellschaft bildet der gesamte öffentliche Raum ein Netz aus kulturellen, kommunikativen und politischen Orten.
Die gegenwärtige Tendenz
öffentlicher Räume ist, dass diese zunehmend Zugunsten des halbprivaten und privaten Raumes verschwinden. Einst permanent zugängliche öffentliche
Räume, wie Fußgängerzonen und Einkaufsstrassen werden durch überdachte, abschließbare und kameraüberwachte Shopping Malls oder
Einkaufsgalerien ersetzt, welche den Vorteil haben, dass sie immer warm und trocken sind und Sicherheits- und Servicepersonal dort auf Sauberkeit und Ordnung achtet,
so dass dem ungetrübten Einkaufserlebnis nichts im Wege steht.
Mit dem Boom an halböffentlichen beziehungsweise halbprivaten Räumen geht ein Verlust
des öffentlichen einher, denn Öffentlichkeit besteht rund um die Uhr, bei jedem Wetter und aus allen Bevölkerungsschichten.
Aufgrund der vielen, sich überlagernden und schwer durchschaubaren Veränderungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik vollzieht sich ebenso ein, auch durch die zunehmende
Medienpräsens, verstärkter Rückzug in das Private. Den alltäglichen Unsicherheiten versucht man aufgrund der Sehnsucht nach Stetigkeit, Sicherheit
und Orientierung zu entfliehen, indem man Halt und Ruhe im Privaten sucht.
ähnlich wie zu Zeiten des Biedermeiers könnte man heute vielleicht auch von einer
Flucht in das Idyllische oder in die Begrenzung sprechen. Dadurch liesse sich ebenso die Renaissance, welche die Gartenkultur gegenwärtig erlebt, erklären.
Die Nachfrage nach Gartenzeitschriften und Gartensendungen ist so hoch wie noch nie, die Gartenmärkte verzeichnen einen großen Kundenzuwachs.
Ebenso entstehen immer neuere und aufwendigere Freizeitlandschaften, Tropen-Paradiese und Schaugärten.
All das bietet neue, zu hinterfragende Aufgabenfelder für die Landschaftsarchitektur.
Der Freiraum beziehungsweise der öffentliche Raum ist ein Feld im Stadtraum, welches für unbestimmte Handlungen vorgesehen ist. "Als Verkörperung des nicht
Kontrollierten" garantiert urbaner Freiraum Öffentlichkeit "gegenüber zunehmenden Vereinnahmungstendenzen von Stadt durch Privatinteressen".
(Stefan Bernard / Philipp Sattler, In: Vor der Tür, 1997, S. 101)
Gerade der öffentliche Raum hat die Aufgabe gegen die übermacht des Privaten standzuhalten, da er "das Spiel als Experiment mit ungewissem Ausgang
ermöglicht: Handlung als Spiel und Raum, Freiraum als unvollstäändiger, in dessen Lücken etwas zu entdecken ist, um die 'schöne Verwirrung des
Lebens bis zur Vollkommenheit zu treiben'." (Norbert Müggenburg, In: Vor der Tür, 1997, S. 57)
Funktionierende öffentliche Räume halten somit das Versprechen von unvorhersehbaren Momenten, von verschiedenen Bedeutungen, von Vielfalt und Ambivalenz. Solche Orte bewegen dazu, sie
zu betreten, zu besetzen und zu belegen.
"Erfolgreiche öffentliche Räume machen aus jedem Nutzer entweder einen Handelnden oder einen Zuschauer. Erfolgreiche öffentliche Rääume
bieten Bedingungen, die es den verschiedenen sozialen Gruppen [...] ermöglichen, dem Ort eine eigene Bedeutung zu verleihen. Hierbei können neue Perspektiven
gegenüber anderen Nutzergruppen eröffnet und eigene Positionen und vorgefasste Meinungen überdacht und hinterfragt werden."
(Hans Ophuis, Topos 39/2002, S. 6-12)
Derzeit findet eine Reduzierung des öffentlichen Raumes vor allem dort statt, wo er als Störfaktor
für ökonomische Entwicklungen gesehen wird. Seine damit verbundene Entwertung geschieht besonders auf Kosten derer, die konkret auf den öffentlichen
Raum angewiesen sind. Die Vernichtung von Spiel- und Aufenthaltsräumen für Kinder beispielsweise bedeutet für diese den Entzug sinnlicher Erfahrung,
das erschwerte Erlernen von Selbständigkeit und fehlende Auseinandersetzung mit anderen Kindern. (Christine Bauhardt, In: Nahe Ferne - fremde
Nähe, 1993, S. 22)
Zudem geht mit dem Aufweiten der Spanne zwischen Arm und Reich eine soziale Entmischung in den Städten einher. Der
gesellschaftliche Status, welcher meist über die persönliche finanzielle Situation definiert wird, bestimmt auch über die Möglichkeiten des Zugangs
zu Räumen. Dem sinkenden Status, folgt somit eine Beschränkung des Zugang zu öffentlichen Räumen, Gebäuden und Infrastrukturen.
Das Aufweiten der sozialen Spanne durch finanzielle Ungleichheiten und das zunehmende Vereinnahmen öffentlicher Räume für private Zwecke führen auf der einen Seite
sogar bis zur Gettoisierung ganzer Stadtteile und auf der anderen Seite zum Bau von "gated communities". Diese "eingezäunten Gemeinschaften" sind
Wohnsiedlungen, in denen man nur bei entsprechendem Einkommen das Privileg geniessen darf unter Wachschutz und Einlasspersonal hinter hohen Zäunen einer
äußerst sicheren und sauberen Privatheit nachgehen zu können.
Es bestimmen zunehmend Privatleute die Gestalt öffentlicher beziehungsweise "halböffentlicher" Räume.
Den privaten Bauherren sollte somit verstärkt auf ihre Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit hingewiesen
werden, damit sie sich bewusster für qualitätsvolles Bauen entscheiden. Diese privaten Entscheidungen können unter Umständen einen erheblichen Einfluss
auf den gesamten öffentlichen Raum haben.
Die Landschaftsarchitektur muss somit ihren Stellenwert vor allem auch gegenüber den privaten Bauherren betonen,
sowie öfter Chancen nutzen die Öffentlichkeit zu informieren!
Von den öffentlichen Bauinvestitionen bestreiten laut dem Bundesministerium die Kommunen den größten Teil. "Damit werden die meisten öffentlichen Bauvorhaben in der unmittelbaren Erfahrungswelt der Bürger realisiert. Hingegen sorgen
zahlreiche Bauten der Länder und des Bundes [...] für mehr überregionale Aufmerksamkeit. Somit kommt dem Handeln öffentlicher Bauherren auf allen staatlichen
Ebenen große Bedeutung zu."
Dass öffentliche Bauherren sich ihrer Bedeutung bewusst sind, macht sich im Bereich der Landschaftsarchitektur zum Beispiel in
Berlin bemerkbar. Dort entstanden im Zuge des Ausbaus des Regierungsviertel im Rahmen öffentlicher Wettbewerbe Anlagen, die heute einen hohen Bekanntheitsgrad besitzen, wie
zum Beispiel der Moabiter Werder an der Spree, der Tilla-Durieux-Park am Potsdamer Platz oder der Platz der Republik vor dem Reichstag.
Vor allem dort, wo die Mehrheit der Bevölkerung meint, dass die gebaute Umgebung weniger wichtig sei, wie zum Beispiel in Stadtrandgebieten, in Industrie- und Gewerbegebiet, kommt es zu belangloser und austauschbarer Freiraumgestaltung
und Architektur. Grund dafür könnte neben dem fehlenden Bewusstsein einer allgemeinen Bedeutung der gebauten Umwelt, auch ein fehlendes Interesse sein oder der
Mangel an Mut und an Mitteln von Investoren.
Beim Bau von Freiräumen und Architektur fehlt es neben Mut und Geld aber oft auch an Information. Informationen
darüber, was eigentlich alles machbar oder möglich ist. Welche Gestaltungsmöglichkeiten, Materialien, Techniken und Bauweisen gibt es? Was wie viel kostet?
Dieses Informationsdefizit liegt nicht zuletzt auch an den Landschaftsarchitekten und Architekten selber, die ausgehend von der finanziellen Sparflamme des Investors
auch ihren Entwurf und dessen Präsentation auf Sparflamme fahren. So gibt es immer weniger mutige Bauherren, die dem Ruf des "geldfressenden" Architekten
misstrauen und trotzdem seine Entwürfe bauen, anstatt Ausstattungselement und Fertighäuser aus dem Katalog zu verwenden.
Norbert Müggenburg beschreibt diese Gestaltung des öffentlichen Raumes mit fertigen und einheitlichen Elemente als eine "aufgeräumten Geltungssucht", die den Raum in dem Maße erfasst,
"wie sich der private Bereich ordnet, Fehlfunktionen säubert und sich nach ästhetischem Standard dekoriert."
Der öffentliche Raum gleicht sich zusehends an die repräsentativen Innenräume finanzstarker Unternehmen an, da diese es auch sind, die mehr und mehr die Gestaltung der öffentlichen Räume
finanzieren, da der öffentlichen Hand immer weniger Geld zur Verfügung steht.
Auch dominiert die Gestaltung des Gebauten zunehmend die Bedeutung von Rentabilität und Wirtschaftlichkeit, so dass immer mehr Schnellschüsse anstatt Reflexionen die Landschaftsarchitektur dominieren.
Es kommt unter Umständen zu einer ""gestalterischen Geschwätzigkeit" (Dieter Kienast), zum Verlust von Stille und Sensibilität.
Den leisen Orten droht die Gefahr der Stilisation, Mythologisierung oder Konservation, um überhaupt noch im Reizüberfluss bemerkt zu werden. (Udo Weilacher, Fachtagung: Perspektive
Landschaft, 2004)
Udo Weilacher spricht zugespitzt von einer "Erosion des menschlichen Wahrnehmungsvermögens", dem das Dechiffrieren nur noch gelingt,
wenn es banal oder extrem symbolisch ist, so dass statt einer körperlichen Erfahrung und ästhetischen Auseinandersetzung mit Orten und Räumen die reine
Bildbetrachtung an Bedeutung gewinnt. Es kommt zur Ästhetisierung von Bildern, aber die Bildästhetik bestimmt nicht die Qualität von Räumen
(Sophie Wolfrum, Fachtagung: Perspektive Landschaft, 2004). Landschaftsarchitektur ist somit noch mehr im Strom der Bilder angelangt.
Interesse an Architektur und Landschaftsarchitektur ist bei der Mehrheit der Bevölkerung vorhanden. Um die Qualität der gebauten Umwelt beeinflussen zu können,
ist somit entscheidend, dass durch eine verstärkte und kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit die Wahrnehmung und das Verständnis für die Aufgaben und Inhalte
der Professionen geschäärft werden. Das würde ermöglich, darüber einen öffentlichen Diskurs führen zu können. Dabei kommt der
Landschaftsarchitektur zunutze, dass sie überwiegend im öffentlichen Raum agiert, dass ihre Produkte also jedem zugänglich und von jedem wahrnehmbar sind.
Es sollte daher ein Einfaches sein, mit den Produkten der Landschaftsarchitektur gleichzeitig auch für die Profession werben zu können, denn die Gestaltung eines
Ortes verändert auch seinen Kontext und damit seine Wahrnehmung.
In Zeiten zunehmender Globalisierung, Individualisierung und steigendem Leistungsdruck, die einem immer mehr Flexibilität, Entscheidungs- und Risikobereitschaft abverlangen,
wächst die Sehnsucht nach Ruhe, Beschaulichkeit und Idylle. Der Rückzug ins Private ist ein möglicher Weg diesem Druck zu entfliehen. Man sucht sich neue
Fixpunkte und Ausstiegsmöglichkeiten, man entdeckt die "Romantik" und die "Schönheit" sowie das "Einfache" wieder.
Allein im Burda-Verlag erscheinen sechs verschiedene Gartenzeitschriften. Eine davon, "Mein schöner Garten", hatte im März 2004 eine verkaufte Auflage von 428.693
Stück.
Dem stehen die Landschaftsarchitektur-Fachzeitschrift "Topos - European Landscape Magazin" mit einer Auflage von 3.700 Stück und
"Garten + Landschaft - Zeitschrift für Landschaftsarchitektur" mit einer Auflage von 7.600 Stück gegenüber.
Orte, die den stressigen Alltag vergessen lassen können, haben zunehmend Konjunktur: Freizeitlandschaften, Wellness-Oasen, Tropen-Paradiese und Beautyfarmen et cetera.
Etwas ruhiger, aber auch nicht minder interessant kommt auf dieser Welle die Gartenkunst daher mit spektakulären Bundes- und Landesgartenschauen und der Wiederentdeckung der Romantik von Schlossanlagen,
Klosterhöfe und Bauerngärten, die in Veranstaltungen, wie Konzerten, Festtagen und Hochzeiten immer mehr vermarktet werden und werden können.
Auffallend ist aber, dass diese Veranstaltungen und die Gartenschauen, "trotz ihres Anspruches, Stadtentwicklungsprojekte zu sein, nach wie vor überwiegend Menschen der
Generation 55+ an[ziehen]. Denn vor allem sie wollen Blumen sehen, Gärten bewundern und Imkerhonig kaufen." (Thomas Jakob, In: Garten + Landschaft
6/2004), S. 1)
Die Renaissance der Gartenkultur könnte also auch mit der Zunahme des Anteils der älteren Bevölkerung zu tun haben. Da immer mehr
Menschen älter sind und älter werden, werden sich auch immer mehr Menschen nach Vertrautem und nach Geborgenheit sehnen. Der Garten, als das Idyllische und
Paradiesische schlechthin, kann helfen diese Sehnsucht zu bedienen.
Die Gestaltung von Gärten wird auch zur Förderung regionaler Sozial- und Wirtschaftsstruktur eingesetzt. Beim Stadtentwicklungsprojekt "Gärten der Welt" im Plattenbaugebiet Berlin-Marzahn, meinte der entwerfende Landschaftsarchitekt
Kamel Louafi zu seinem Orientalischen Garten: "Hier aber soll ein Ort der Entspannung, der vollkommenen Zufriedenheit entstehen [...]. Ein Garten sei für alle das
Sinnbild für Frieden und Glück."
Eine Nachfrage nach Landschaftsarchitekten dürfte also vorhanden sein, zumal Meinungsforscher herausfanden,
"dass lediglich vier von zehn der Befragten ihren Garten als zufriedenstellend empfinden." (Tjards Wendebourg, In: Garten + Landschaft 1/2004, S. 25)
Trotzdem ziehen die Wenigsten bei der Planung ihres Gartens einen Landschaftsarchitekten zu Rate. Meiner Meinung nach geht es Landschaftsarchitekten da
änlich wie zum Beispiel den Innenarchitekten, den Floristen oder auch den Malern: Jeder Mensch besitzt Kreativität und Schaffenskraft und freut sich, wenn er diese
anwenden kann, indem er seine Wohnung selber einrichtet, sich seine Blumensträusse selber bindet oder seine Wände selber streicht. All diese Tätigkeiten
finden im Privaten statt und sind vom Geschmack und Geschick des Einzelnen abhängig und daher auch eine individuelle und intime Angelegenheit. Auf die Gestaltung des
Privatgartens kann dies ebenso angewendet werden. Zudem ist es oft preiswerter, wenn man den Garten selber plant und baut. Ferner ist für die Meisten schöpferische
und kreative Arbeit ein willkommener Ausgleich zu ihrem Alltag.
Man könnte es somit auch wie Martha Schwartz sehen, die meint: "Der Garten ist das Paradies jedes
einzelnen, und am besten man lässt ihm auch alle Freiheit, ihn ganz allein zu gestalten." (In: Neu Verorten, Thies Schröder, 2002)
Eine Stärkung des öffentlichen Raumes könnte den Tendenzen der Globalisierung und Mobilisierung entgegenwirken.
Dabei gilt es beim Entwerfen öffentlicher Plätzen in der aktuellen Stadtlandschaft das klassische und vertrauten Vokabular an Boulevards, Stadtplätzen,
Dorfangern und Parks zu hinterfragen und zu überdenken, da deren rein formales Einsetzen in die beständig veränderliche Stadt kaum zu sinnvollen öffentlichen
Räumen führen dürfte. Wobei der Entwurf öffentlicher Räume heute wohl weniger typologische und stilistische Einschränkungen als je zuvor hat.
(Hans Ophuis, Topos 39/2002, S. 6-12)
Aufgabe der Landschaftsarchitektur ist es offene und bespielbare Orte, genauso wie Rückzugsorte und vertraute Orte zu schaffen. Das könnte die Leute aus ihren Häusern wieder auf die Strasse locken, um dort Begegnungen und Erfahrungen zu machen und mit ihrer
Umgebung vertraut zu werden. Das Heimatgefühl, die Vertrautheit mit einer Umgebung, sollte sich nicht nur auf die eigene Wohnung, das eigene Haus oder das eigene
Grundstück beschränken. Es sollte sich (wieder) eine Identität und Verantwortung für die gesamte, an den Wohn- und Arbeitsort angrenzende Umgebung
einstellen. Ziel der Arbeit der Landschaftsarchitekten muss es somit sein, "die fortschreitende Entleerung der Stadt durch den Rückzug ihrer Bewohner in ihre
'eigenen vier Wände' umzukehren, indem die Menschen vor die Tür gelockt, und kommunikative Begegnungen gefördert werden." (ST raum a., In: Vor der Tür, 1997, S. 69)
Zudem verlangt der aufgrund der überzähligen Bausubstanz gestiegene Konkurrenzdruck in der Immobilienbranche nach "Qualität statt Quantität,
Klasse statt Masse und Differenzierung statt Egalisierung. In dieser Konkurrenzsituation besitzen Städte und Regionen in Landschaften, die bisher von Industrialisierung
und Zersiedlung mehr oder weniger verschont geblieben sind und gemeinhin als schön gelten, besonders gute Chancen. Ihre Gestaltung stellt eine dankbare Aufgabe dar."
(Thomas Sieverts, Topos 40/2002, S. 39...44)
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siehe auch:
www.bmvbs.de/architektur-baukultur/
(Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Initiative "Baukultur in Deutschland")
