"Die Verstädterung und Zersiedlung der Landschaft fordert kreative, neue Strategien statt Flucht in Traditionen." (Kees Christiaanse, In: Topos 47/2004)
Die Zukunft des öffentlichen Raumes, die Schrumpfung und Perforation der Städte, sowie die fortschreitende Urbanisierung beziehungsweise Zersiedlung von Landschaften werden die Kernfragen zukünftiger Baukultur sein, für deren Beantwortung besonders die Landschaftsarchitektur eine Schlüsselrolle einnehmen kann und einnehmen wird!
Die Strategien der Landschaftsarchitektur werden mehr denn je bei der Gestaltung von öffentlichen, urbanen Räumen, von Freiräumen in schrumpfenden Städten, von Folgelandschaften, von peripheren Landschaften und von Kulturlandschaft gefragt sein!
In der Kunst muss immer wieder neu verhandelt werden, was "schön" ist und was "Schönheit" bedeutet, da dies gesellschaftlich festgelegt wird, es also abhängig von der jeweiligen Gesellschaft ist. Das Gleiche kann für die Landschaftsarchitektur gelten, in der der Begriff "Landschaft" und die Gestalt der Landschaft immer wieder neu verhandelt werden muss. Es bedarf dabei eines kritischen Diskurses gegenüber den bestehenden Ideologien und einer Betrachtung von Stadt und Land als differenzierte Gesamtheit.
Landschaften sind funktional, aber sie bleiben immer unbestimmt. Sie sind nie endgültig, sondern immer wandelbar und tragen daher ein hohes Entwicklungspotential in sich. Darin verbergen sich gleichzeitig Chancen und Probleme für die Landschaftsarchitektur, denn es ist fraglich, ob die Permanenz des Wandels überhaupt planbar ist.
Wenn ja, wie können Landschaften dann immer wieder neu entwickelt werden? Wie prägen sie sich eigentlichen aus und was kann die Landschaftsarchitektur dazu beitragen?
Ziel von Landschaftsarchitektur ist es, qualitativ hochwertige und ansprechende Räume im städtischen, wie im ländlichen Umfeld zu schaffen. Räume und Orte, wo jeder Mensch in relativem Komfort und in relativer Sicherheit leben kann. Orte, die Zugang zu Chancen, sowie Ideenreichtum und Anregungen bieten und somit den Menschen ein Gefühl von Authentizität und Sinn vermitteln und den Gemeinschaftssinn fördern (nach Jacobs / Appleyard, In: Urban 21, 2000, S. 385). Die Schaffung lebenswerter, zukunftsfähiger und nachhaltiger Orte, die den Menschen Identität und Kontrolle vermitteln, ist die Kernaufgabe von Landschaftsarchitektur.
Genau solche Orte müssen die zentralen Bausteine sein, die "zu urbanen Dörfern und Landstädten kombiniert werden eine nachhaltige Stadtregion bilden können" (nach Jacobs / Appleyard, Ebd., S. 387).
Durch den fortschreitenden Landschaftswandel erhält die Landschaftsarchitektur gegenwärtig viele Freiheiten und Gelegenheiten für neue, visionäre Erfindungen von Landschaft. Somit wachsen auch die Ansprüche an funktional und ästhetisch befriedigende Landschaften. Wieder befindet sich die Landschaftsarchitektur mitten in der Neubestimmung ihrer Positionen und ihrer Bedeutungen. Sie versucht ein neues professionelles Selbstbewusstsein zu entwickeln, eines mit einem holistischen und genreübergreifenden Ansatz, angesiedelt zwischen den Traditionen von Kunst und Wissenschaft.
Es gilt endlich die alten Bilder zu stürmen!
Ein neues Leitbild für Landschaftsarchitektur könnte ein anpassungsfähigeres, flexibleres und offeneres sein, eines, das auf Veränderungen reagieren kann: "Landschaftsarchitektonische Entwürfe für eine dynamische Gesellschaft brauchen Kreativität, Verständnis, Erfahrung und Pragmatismus." (Stig L. Andersson, In: Topos 40/2002, S. 86)
Landschaftsarchitektur kann eigenständige, vielleicht auch "eigenartige" und kraftvolle Räume konträr zu den Entwicklungen der Globalisierung gestalten ohne dabei Gefahr zu laufen, autistische oder exzentrische Orte zu schaffen. Das bedeutet ein Nachdenken über Landschaft nicht im Sinne von Themenparks oder Disneyparks sondern im Sinne des Aufzeigens der Illusionen über die Landschaft, also kein Theatralisieren sondern ein Inszenieren von Landschaft. (Hans-Joachim Ruckhäberle, Fachtagung: Perspektive Landschaft, 2004)
Entscheidend an Architektur oder Landschaftsarchitektur ist ihre "szenische Kapazität", also die Fähigkeit, wie sie uns agieren lässt oder lassen kann (Sophie Wolfrum, Fachtagung: Perspektive Landschaft, 2004).
Diese Fähigkeit kann anhand der endogenen Potentiale von Räumen, Regionen oder Landschaften entwickelt werden, wenn diese erkannt und innovativ eingesetzt werden.
Neben den gewohnten Fragestellungen Wohnumfeld, Grünordnungspläne und Ausgleichsgutachten, beinhaltet die Landschaftsarchitektur zunehmend auch "eine Reihe neuer Aktionsmöglichkeiten und Gestaltungsaufgaben in Form temporärer (Raum-) Installationen und städtischer Land-Art-Interpretationen [...]. Ebenso existiert eine große Bandbreite an flexiblen Konzepten und Event-bezogenen Aktivitäten. Darin kommt ein gewachsenes Interesse an bildender Kunst und Inszenierung bei heutigen Landschaftsarchitekten zum Ausdruck." (Stefan Bernard / Philipp Sattler, In: Vor der Tür, 1997, S. 10)
Dies untermauert, dass die eigentlich schöpferische Kraft unser Zeit "in der Gestaltung von Flüchtigem, also in einer Formgebung, die sich an Objekte heftet, die gerade keinen Bestand haben können und sollen", liegt. Rolf Peter Sieferle meint, dass "wenn im Strudel der Transformation dennoch stabilere Werke entstehen, wenn diese gar landschaftsprägend zu Stahl, Glas und Beton gerinnen, so wächst ihnen eine Dauerhaftigkeit zu, auf die sie prinzipiell nicht angelegt sein können. [...] Der Einzige ästhetische Trost, den die Erzeugnisse der Architektur spenden, ist die Aussicht auf ihren baldigen Abriss. Nur sie macht die Bauten zeitgerecht, da sie ihnen die Anmaßung der Monumentalität nimmt" (Rolf Peter Sieferle, In: Topos 47/2004, S. 7f.).
Martin Prominski plädiert dafür, dass in der neuen "Landschaft Drei" der Landschaftsarchitekt nicht als "Grüngarnierer" sonder eher als leitender Gestalter von interdisziplinären Runden und Arbeitsgruppen gefragt sein wird (Martin Prominski, Fachtagung: Perspektive Landschaft, 2004). Ebenso meint auch Laurent Salomon, "daß Innovation nur durch gesamtheitliches Planen und Entwerfen entsteht." (Laurent Salomon, In: Topos 28/1999, S. 96...101)
Auch wenn seit jeher ungewiss ist, wie Landschaft oder andere Dinge sich entwickeln werden, ist es doch möglich, für die nahe Zukunft Tendenzen ausmachen zu können. Die Tendenz in der Landschaftsarchitektur ist, dass sie flexibel, dynamisch und nutzungsoffen ist und sie somit Antworten auf die genannten städtebaulichen und regionalplanerischen Fragestellungen finden kann. Die Landschaft oder der Freiraum als Schlüssel zur Lösung der Probleme der Baukultur!?
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